Hört ihr mir eigentlich zu?!

20. Feb. 2023Betreuungsstellen, Bewerber*innen, Jugendämter

Wie kleine Veränderungen in der Kommunikation großen Effekt haben können.

Im Alltagsgeschehen mit Schule, Terminen, Freizeitgestaltung und allen anderen Aufgaben, die erledigt werden wollen, kommt eine Sache häufig zu kurz – sich in Ruhe unterhalten, Zuhören und dabei versuchen, sich in die Lebenswelt des anderen hineinzuversetzen.

Wollen wir – getreu dem Jahresthema der h&p Rheinland-Pfalz/Hessen gGmbH in 2023 – „Vielfalt leben und gestalten“, ist die Voraussetzung dafür, dass wir offen für andere Sichtweisen, Erfahrungsräume und Lebensentwürfe sind. Hierfür bietet das Aktive Zuhören mit der dazugehörigen Haltung und den praktischen Werkzeugen einen wunderbaren Einstieg. 

In der Fachliteratur liest man häufig vom ‚Aktiven Zuhören‘. Das klingt erstmal einfach – zuhören kann schließlich (fast) jeder! In unserer Alltagskommunikation tauschen wir die Rollen zwischen Zuhörer und Sprecher ständig aus. Wir hören zu und vielleicht überlegen wir uns währenddessen schon eine Antwort. Überlegen, ob wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder interpretieren das Gesagte. Das kann dazu führen, dass wir aneinander vorbei-reden, unser Gegenüber sich nicht gehört/ernst genommen fühlt oder Missverständnisse entstehen.

In der pädagogischen Arbeit allgemein und vor allem in den Angeboten in häuslicher Gemeinschaft der h&p Rheinland-Pfalz/Hessen gGmbH, in denen Alltag mit allen Facetten gelebt wird, nehmen wir im Rahmen der Fachberatung auch immer wieder diese Alltagskommunikation unter die Lupe, um festgefahrene Muster hin und wieder zu durchbrechen und den eigenen Interaktionsstil zu hinterfragen. 

Aktives Zuhören umfasst mehrere Teilbereiche. Wenn wir aktiv Zuhören versuchen wir nicht nur zu hören, was der andere gesagt hat. Es geht darum zu verstehen, wie die Dinge gemeint sind, welche Emotionen und Gefühle eine Rolle spielen. In der Summe geht es darum zu einer Übereinkunft über das Gesagte zu kommen.

Wir beobachten, ob das verbale und nonverbale Verhalten unseres Gegenübers stimmig ist und wie er/sie sich beim Erzählen verhält. So wird Paul vielleicht leise und einsilbig, wenn er Angst empfindet, Lena jedoch wird aufbrausend und nervös.

Zum Aktiven Zuhören gehört auch immer die Selbstreflexion.

Wir alle bewegen uns in unserem eigenen Erfahrungs- und Bezugsrahmen, sind kulturell und sozial geprägt. Durch diese Filter hören wir zu und interpretieren das Gesagte. Sind wir uns dieser Aspekte bewusst, können wir sie in die Überlegungen einbeziehen und entsprechend berücksichtigen.

Nicht zuletzt ist unsere (pädagogische) Haltung essenziell für gelingendes Zuhören. Diese drückt sich vor allem in unserer Präsenz in den Situationen aus. Nehmen wir uns Zeit für unser Gegenüber, gehen offen und empathisch in den Kontakt? Signalisieren wir ehrliches Interesse an der Person und dem, was erzählt wird? Versuchen wir, uns in unser Gegenüber hineinzuversetzen und unseren eigenen Bezugsrahmen/unseren Standpunkt zu verlassen? Können wir diese Fragen mit einem ‚Ja‘ beantworten, befinden wir uns sicher auf einem guten Weg mit unseren Schutzbefohlenen.

Um dieses ‚Ja‘ als Antwort zu sichern, bedienen wir uns der verschiedensten praktischen Werkzeuge, mit Hilfe derer wir aktives Zuhören fördern und umsetzen können.

 

  • Paraphrasieren

Beim Paraphrasieren versuchen wir das Gesagte in unseren eigenen Worten wiederzugeben. Das dient vor allem der Überprüfung, ob wir die Aussage richtig verstanden haben.

 

  • Verbalisieren

Hierbei versuchen wir, die Emotionen und Gefühle, die wir beim Erzählen wahrgenommen haben, in unseren eigenen Worten wiederzugeben. Es handelt sich also um eine Paraphrase die durch die (vermuteten) Gefühle ergänzt wird. Beispiel: „Als du vorhin von deiner Mama erzählt hast, habe ich gemerkt, dass du ganz traurig geworden bist.“

 

  • (Nach-)Fragen

Durch Nachfragen können wir tiefer in Themen und die Gedankenwelt unseres Gegenübers einsteigen. Hierbei eignen sich vor allem offene Fragen, da diese zum Erzählen einladen.

 

Diese praktischen Gesprächsführungstechniken führen nicht nur dazu, sein Gegenüber besser zu verstehen. Sie helfen auch dabei sich selbst zu hinterfragen, eigene Gefühle kennenzulernen, sie wahrzunehmen und eine (eigene) Klarheit über bestimmte Situationen zu erlangen.

Und dann wird aus der Frage „Hört Ihr mir eigentlich zu?“  eine Erkenntnis: 

Ja, hier hört mir jemand zu!“

Sarah Rehnelt

Regionalleitung West